Nein sagen! – von Christina

Als ich mich immer wieder aufrieb, um allen Ansprüchen gerecht zu werden, forderten mich die Engel auf, Nein-Sagen zu lernen. Meine Kinder waren klein, mein Mann oft auf See und einen stressigen Job hatte ich auch noch. Ich wollte in allen Dingen perfekt sein. Mich um meine Kinder kümmern, den Haushalt schmeißen, für meine Freunde da sein und auf Arbeit alles geben. Irgendwann hatte ich keine Kraft und keine Lebensfreude mehr und folgte der Aufforderung der Engel.

Das Nein-Sagen bringt Klarheit. Man lernt viel über sich selbst und über seine Mitmenschen. Ich hatte eine Kollegin, die die ungeliebten, schwierigen Aufgaben gern mir aufs Auge drückte. Sie sagte dann: „Du machst das immer so gut! Und dann geht es auch immer so schnell! Ich kann das niemals so gut wie Du.“ Da wurde mir klar, dass ich mich geschmeichelt fühlte und Ja sagte aufgrund der kurzen Anerkennung, die ich von ihr erhielt.

Ich hatte anfangs große Schwierigkeiten, überhaupt Nein zu sagen. Ich beobachtete mein inneres Geplapper, die Ego-Stimme, die Muster aus der Kindheit (Stell dich mal nicht so an. Das kannst Du doch ruhig machen. Dein Gegenüber hat schon so viel für dich getan. Und du? Du bist total undankbar. Jetzt will er bestimmt nichts mehr mit dir zu tun haben. Immer denkst du nur an dich. Schämst du dich nicht? Was sollen die Leute über dich denken? Und so weiter und so weiter).

Ich nahm mir vor, es als erstes an der Familie auszuprobieren. Ich wusste, sie liebten mich und würden damit klarkommen. Denn warum sagen wir denn ja, obwohl wir es eigentlich nicht möchten? Alle Beweggründe dafür münden für mich letztendlich in der Angst, nicht geliebt zu werden. Also habe ich ein Wochenende lang Nein gesagt. Mami? Bindest du mir meine Schuhe zu? Nein. Mami, kommst du mir die Haare waschen? Nein. Kannst du bitte meine Arbeitssachen waschen? Nein.

Was danach kommt, das muss man aushalten lernen. Schultern nach hinten, freundlich aber fest dem Gegenüber in die Augen schauen, atmen! Nichts sagen. Atmen und abwarten. Sich nicht rechtfertigen. Sich nicht entschuldigen. Keine Ausreden verwenden. Das führt nur zu endlos-Diskussionen und man hat das Thema nur verschleppt auf später. Hat man zum Beispiel gesagt „Leider habe ich keine Zeit, sonst gerne.“, kann man darauf wetten, dass derjenige so lange nachfragt, ob man denn nun Zeit hat oder warum nicht, bis man dann schließlich nachgiebt.

Als erstes kommt die Verblüffung. Wie? Sie weigert sich? Aber das hat sie doch sonst auch immer gemacht.

Jetzt folgen je nach Mensch und Situation folgende manipulative Strategien:

Betteln: Ach, bitte bitte. Kannst du das nicht machen? Ich kann es nicht, weil…

Eingeschnappt sein und sich abwenden: Ist mir ehrlich gesagt das liebste. Man erspart sich weitere Diskussionen und hat seine Ruhe. Die Leute schnappen alle wieder aus, das ist meine Erfahrung.

Überreden wollen: Hier werden alle Register gezogen – von Schmeicheleien über angebliche Hilflosigkeit bis Kompromisse anbieten ist alles dabei. Gern auch werden irgendwelche Begebenheiten aus der Vergangheit bemüht. All das zielt darauf ab, einem ein so schlechtes Gewissen einzureden, dass man doch nachgibt.

Aggressiv werden. Eventuell hat dein Gegenüber schon alle anderen Strategien versucht und du bleibst standhaft. Es folgt nun ein Tobsuchtsanfall. Meine Tochter bekam mal keinen Kuchen beim Bäcker. Sie war 2 Jahre alt und es war schon 18 Uhr. Wir wollten zu hause Abendbrot essen. Also schmiss sie sich im Laden hin und schrie und heulte. Es war eine Riesenshow. Einige Leute meinten „Du armes Kind! Kriegst du nichts zu essen?“ und schauten mich an, als ob ich sie misshandeln würde. Ich bin dann raus gegangen (atmen) und habe gewartet. Nach etwa 5 Minuten kam mein Kind freudestrahlend raus und tat, als ob nichts gewesen wäre.

Aggressive Erwachsene sind natürlich noch ein anderes Kaliber. Mein Chef hat mir mal gedroht, dass jeder Tag für mich zur Hölle werden würde, wenn ich ihm nicht sofort die Auswertung für die Geschäftsleitung machen würde. Ich hatte diese Erfahrung mit ihm schon öfter gemacht. Er war nicht vernünftig vorbereitet und spielte sich an meinem Platz auf. Schon oft hatte ich ihm den Hintern gerettet. Er stand dann immer gut da, für mich hatte er nicht mal ein Dankeschön übrig. Also sagte ich ihm, ich hätte schon genug zu tun und keine Lust, seine Sachen auch noch mitzumachen. Ihm war klar, dass er sich zusammenreißen musste. Ich hätte mir sein Verhalten nicht länger bieten lassen und wäre zur Geschäftsleitung gegangen. Am nächsten Tag tat er, als ob nichts gewesen wäre.

Das war für mich auch eine wichtige Erkenntnis, Nein zu sagen bedeutet nicht, egoistisch zu sein und nicht helfen zu wollen. Es gibt dem anderen die Möglichkeit, sein Leben selbst zu meistern. Man kann dem anderen nicht die Erfahrungen und die Lernaufgaben abnehmen. Das funktioniert nicht. Durch aufmerksames Beobachten habe ich zu unterscheiden gelernt – ist das jetzt mein Thema oder das des anderen?

Die Art, wie dich jemand behandelt, sagt aus,

was für ein Mensch er ist, nicht was für ein Mensch du bist.

(unbekannt)

Es ist ein unheimlich befreiendes Gefühl, sein Nein durchgesetzt zu haben. Es fühlt sich am Ende einfach nur gut und richtig an. Und ich habe auch festgestellt, dass die Angst vor Ablehnung, die ich hatte, sich nicht erfüllt hat. Ganz im Gegenteil. Mein Selbstwertgefühl ist gestiegen und die „abgewiesenen“ Personen bringen mir mehr Respekt entgegen als früher.

Es gibt eine einfache Formel: Macht es dich glücklich? Wenn nicht, sag Nein!

von Herzen eure Christina

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